Feen 2: Lagebesprechung zwischen Shaljel und Estron

Dienstag, 4. November 2014, 18:43
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Imanahm war aufgerüttelt. Shaljel begrüßte diesen Umstand, denn er sah darin einen Brandbeschleuniger, der ihnen helfen würde, die Priester im Zaum zu halten. Estron hingegen war sich sicher, dass sie noch nicht bereit waren. Schlimmstenfalls würde es zu einem Kampf mit den Priester kommen, den sie dank Shaljels und der Hilfe Emaofhias leicht gewinnen konnten. Eine Stadt in Aufruhr bedeutete jedoch auch, dass die Drachen von ihr Kenntnis nehmen würden.

Und dies war Imanahm, die größte menschliche Stadt, wichtigste Kultstädte, mit dem Hauptsitz der Priester von Sonne und Schwert. Wenn die Drachen sich der Priester bedienten, um einen Aufstand niederzuschlagen, ritten sie von hier aus. Wenn wichtige Häretiker befragt werden mussten, brachte man sie hierher.

Sollte es zum Kampf mit den Priestern kommen, dann würde bald auch ein Drache über die Stadt fliegen. Und mit den riesigen Echsen konnten sie nicht so leicht fertig werden wie mit ihren menschlichen Verbündeten. Shaljel hatte ihm versichert, dass ein Drache kein Problem darstellen würde, aber auf die Frage, wie gut er mit mehreren umgehen konnte, hatte er nicht geantwortet.

Estron hätte bevorzugt, weiterhin im Verborgenen zu bleiben. Es blieb nur zu hoffen, dass sie die Situation vorerst noch einmal beruhigen können würden.

„Meinst du, es war so klug, den beiden zu helfen?“

„Warum nicht? Sie sind auf der Flucht und jetzt haben sie eine Chance.“

„Das meine ich nicht. Jeder der uns gesehen hat, wird uns von jetzt an mit zwei Magiern in Verbindung bringen, die auf dem Marktplatz Tempelwachen getötet haben.“

„Es hat uns niemand beobachtet.“

„Ich fürchte doch.“

„Ich habe niemanden gesehen. Und du weißt, dass ich besser sehe als du.“

Estron Zog die Augenbrauen hoch, weil er sicher war, dass selbst Shaljel inzwischen wissen musste, dass Estrons Wahrnehmung nicht mehr nur von seinen angeborenen Sinnen bestimmt war. „Gesehen habe ich ihn auch nicht. Ich weiß aber, dass er da war.“ Shaljel verdrehte die Augen zur Decke des Raums, den sie sich mit ihren anderen Gefährten teilten. „Du meinst, wie der junge Magier? Der sieht inzwischen auch nichts mehr. Der spürt nur noch alles um sich herum. Hast du dich bei ihm angesteckt?“

Estron ging nicht auf Shaljels Worte ein. „Ich glaube, ich weiß auch, wer es ist. Er nannte sich früher einmal Enk. Man kennt ihn jetzt als Gach-Ensh.“ Der Feen in Menschengestalt sah ihn entgeistert an und begann plötzlich schallend zu lachen. Es dauerte eine Weile, bis er damit wieder aufhören konnte. „Ist das dein Ernst?“

„Du kennst ihn?“

„Ich glaub, ich hab mal von ihm gehört. Aber vor allem kenne ich den Namen.“ Estron nickte. Er verstand, was ihn so amüsierte, auch wenn er nicht darüber lachen konnte. Gach-Ensh, Walddämon in der Sprache der Urats. Und was sie damit meinten war ein Feen.

„Unterschätz ihn nicht, Shaljel. Es heißt, er sei der beste.“

„Dennoch ist er ein Mensch. Ein einfacher Mensch. Ich kenne nur einen Menschen, der es mit einem Drachen aufnehmen könnte und kein Drache hat es bisher mit mir aufnehmen können. Und bei dir bin ich mir nicht sicher, was dir überhaupt gefährlich werden könnte. Ich würde es auf jeden Fall nicht ausprobieren.“ Er lachte erneut. „Warum glaubst du, dass gerade er hier ist? Und woher kennst du ihn überhaupt?“

„Ich habe ihn auf dem Weg gesehen. Und er hat mich gesehen. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber wenn er wirklich zurückgekehrt ist, dann könnte er es auf mich abgesehen haben. Ich habe genügend Feinde, die einen Mörder auf mich ansetzen würden.“

„Ehrlich? Ich dachte, nur die Priester haben was gegen dich. Und die würden ihre Wachen schicken.“ Estron musste überlegen.

„Es sind auch ein paar verärgerte Ehemänner, Eltern und Älteste dabei. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wer von ihnen den Preis des Gach-Ensh bezahlen könnte.“

„Und wie war das mit dem Kennen? Ich glaube kaum, dass viele seinen echten Namen wüssten.“

„Shaljel, ich bin entsetzt! Du hast meinen Worten gelauscht und auch noch Schlüsse daraus gezogen.“

„Diese Spitze hast du von Anai. Du kennst mich gar nicht lange genug.“

„Ich werde mich nie damit abfinden können, dass du einen Gott duzt.“

„Es hilft über die Jahre, wenn man sich gegenseitig nicht zu ernst nimmt. Aber nicht ausweichen, oder ist es ein Geheimnis?“

„Ist es eigentlich nicht. Wir sind zusammen gelaufen. Es war vor ungefähr fünfzehn Jahren. Damals war ich noch nicht lange unterwegs gewesen, bin immer wieder mit anderen zusammen gewandert. Mit Enk zusammen habe ich mehrere Städte aufgesucht. Ich habe mich von ihm mitziehen lassen, weil ich ziellos war. Er war so alt wie ich und schien mir ein aufgeweckter Bursche zu sein, vermutlich um einiges Klüger als ich. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, warum er die Städte aufsuchte, aber zu dem Zeitpunkt war für mich schon längst klar gewesen, dass ich meinen eigenen Wegen folgen musste. Obwohl wir uns nett unterhalten konnten und ich glaube nicht nur ich von ihm etwas lernte, passten wir nicht zusammen. Ich weiß auch, dass ich irgendwann Angst vor ihm bekam aber ich glaube auch, dass er sich ein wenig vor mir fürchtete“, er schmunzelte, „vermutlich, weil ich einmal ein Feuer nur mit meinem Blick entfacht habe. War ein einfacher Trick, keine Magie im Spiel, aber beeindruckend.“

„Und was machen wir jetzt, wenn dieser Enk tatsächlich hier ist?“

„Solange er mir nichts getan hat, können wir ihn schlecht einfach umbringen.“

„Du meintest doch, er sei ein gedungener Mörder. Ich hätte kein Problem damit, ihn zu töten, wenn ich denn wüsste, dass er es wirklich ist.“

„Das ist mir schon klar. Aber alles, was wir hier tun, wird folgen haben. Wenn er nicht hinter uns, beziehungsweise mir her ist, dann lenken wir nur noch mehr Aufmerksamkeit hierher, wenn sein Auftraggeber bemerkt, dass der beste Mörder, den er kriegen konnte, gescheitert ist.“

„Dann sollten wir ihn wohl erst einmal fragen.“ Der Sarkasmus war nicht zu überhören, aber Estron erwog den Vorschlag trotzdem.

„Grundsätzlich eine gute Idee, aber ich denke, das würde zu gefährlich werden.“

„Nichts, was wir nicht bewältigen könnten. Aber was willst du dann tun?“

„Das wird dir nicht gefallen.“ Hätte Shaljel es nicht besser gewusst, hätte er angenommen, dass Estron eine dramatische Pause machte. „Wir machen gar nichts.“

„Das ist nicht dein Ernst.“

„Na gut, vielleicht tun wir doch etwas, aber wir greifen ihn nicht an. Vielleicht können wir ihn verwirren oder ablenken.“

„Das klingt besser“, lachte Shaljel, „ich denk mir was aus. Vielleicht kannst du ihn mir ja beschreiben.“

„Du nimmst Enk nicht ernst genug. Wenn nur die Hälfte der Berichte über ihn wahr sind, kann er eine Menge Schaden anrichten, bevor du ihn unschädlich machen kannst.“

„Und du nimmst ihn zu ernst. Versuch lieber, eine Lösung für den Marktplatz zu finden.“

„Ich arbeite daran.“ Shaljel hatte natürlich Recht. Der Kampf auf dem Markt würde einige gefährliche Auswirkungen haben. Dennoch machte er sich mehr Sorgen um Enk, wobei er sich doch nicht einmal sicher sein konnte, dass er in der Stadt war.

 


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