Feen 2: Ab durchs Tor

Montag, 29. September 2014, 21:15
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Das Stadttor stand noch offen. Aber die Wachen waren verstärkt worden. Jeder Wagen wurde untersucht, jede Tasche geöffnet und durchwühlt.

Aber vor allem blickten die Wächter in die Gesichter, als hätte man ihnen eine Beschreibung von jemandem gegeben, den es aufzuhalten galt. Die beiden trennten sich und marschierten einzeln auf das Tor zu, was sie von vornherein beabsichtigt hatten. Sie hatten sich auch Geschichten zu Recht gelegt, um ihren Besuch Imanahms und ihre Abreise erklären zu können. Beide nicht weit von der Wahrheit entfernt. Sie gaben die Arbeiten an, die sie angenommen hatten. Der eine oder andere Umstand hätte es notwendig gemacht, dass sie noch etwas für ihre Familien hatten beschaffen müssen, um über den Winter zu kommen. Nichts zu ungewöhnliches.

Auf diese Weise passierten sie nacheinander die Wachen, die Mauern und die Baracken der Vorstadt.

Als Pethen sich auf einer Anhöhe ein letztes Mal nach der Stadt umblickte, konnte er zum ersten Mal erkennen, was er die ganze Zeit unbewusst gefühlt hatte:

Verlust.

Leere.

Der Faden, die Verbindung zu ihrem Verfolger, war gekappt und er fehlte ihm.



Linnbeth bei Unterschnitt

Samstag, 27. September 2014, 19:04
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Die Feldstraßler finden sich wieder bei Unterschnitt ein, diesmal in Begleitung: Kapitel 98



Feen 2: Der Kampf auf dem Markt

Freitag, 26. September 2014, 17:35
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Er hatte Hylei gefunden. Sie hatten sich zugerufen und er hatte versucht, ihr die Bedrohung zu erklären. Spätestens, als sie die Kunden und Händler auf sich zukommen sah, begriff sie, dass sie fliehen mussten, auch wenn sie noch nicht wusste, warum.

Pethen hingegen wusste sehr genau, was geschah. Seine Sicht umfasste den gesamten Marktplatz und er sah die zwanzig Bewaffneten, die die Menge vor sich hertrieben. Vor ihnen hätten er und Hylei fliehen können. Aber diejenigen, die sich von der anderen Seite näherten … er wusste, wer sie waren, er kannte ihren Anführer. In diesem Augenblick wusste er, dass der Fremde mit seinem Faden recht gehabt hatte. Aber gleichgültig, ob er sich jetzt vorwarf, ihm nicht vertraut zu haben oder ob er sich schalt, dass sie bereits gestern hätten fliehen sollen, es war zu spät und jetzt würden sie nicht mehr entkommen können. Nicht ohne mehr Glück als sie bisher gehabt hatten oder einen Kampf.

Hylei und er versuchten auf einander zuzulaufen, aber inzwischen hatten die Menge sie erreicht und trieb sie auseinander. Gleichzeitig sah Pethen, wie der Priester ihm immer näher kam.

Sie konnten sich mit den anderen Menschen mitreißen lassen und versuchen mit ihnen zu einem der Ausgänge des Marktes zu gelangen, Sie hätten jedoch zu wenig Kontrolle über ihre Bewegung gehabt und er konnte beobachten, wie der Priester-Magier ihnen den Weg abzuschneiden begann.

Sie konnten vielleicht auch hoffen, dass sie in der Lage sein würden, schneller zu laufen als ihre Verfolger. Sie hatten ja inzwischen reichlich Übung darin. Wenn sie jedoch Pech hatten, und davon war auszugehen, dann würden sie die Tore nur noch geschlossen vorfinden. Und selbst wenn nicht, wären sie vor der Stadt ein leichtes Ziel gewesen. Er wünschte, sie wären so schnell, wie der Fremde.

Pethen konnte keinen Ausweg mehr sehen. Es würde zu einem Kampf kommen und sie würden sterben, oder Hylei würde mit ihrer ungehemmten Magie ein Massaker anrichten, nicht nur unter den Kriegern. Es gab keine andere Möglichkeit. Außer vielleicht einer.

Pethen drehte sich um und ging mit erhobenen Händen auf den Priester zu. Warum sollten sie beide sterben? Wenn er sich stellte, gewann er Hylei vielleicht genügend Zeit zu entkommen. Außerdem hatte der Fremde gesagt, dass der Faden zwischen ihm und seinem Verfolger gespannt war. Ohne diesen Faden hätte man sie vermutlich gar nicht mehr aufspüren können. Hylei wäre ohne auf der Flucht besser dran.

Eine stechende Scham durchzuckte den jungen Magier. Erneut war er für die Schwierigkeiten verantwortlich, in die sie geraten waren. Ohne ihn wäre Hylei nicht nur nicht von den Pilgern gefangen genommen worden, sie wäre auch den Priestern entkommen. Auch wenn diese Gedanken erst nach seinem Entschluss in ihm aufgestiegen waren, erleichterten sie sein Vorhaben und er ging fast befreit auf seine Verfolger zu. Er fühlte sich, als leiste er eine Wiedergutmachung gegenüber Hylei.

„Ich ergebe mich.“ Er brüllte es so laut er nur konnte. Die Wächter, die neben dem Priester gingen, richten ihre Armbrüste auf ihn.

„Bitte, ich ergebe mich.“ Der Priester näherte sich vorsichtig.

„Wo ist die Hexe?“ Pethen warf dem Mann einen fragenden Blick zu. „Deine Gefährtin?“

Pethen schluckte. „Ich ergebe mich, ohne Kampf.“ Er ließ sich auf die Knie fallen. „Lasst sie gehen. Sie ist ungefährlich. Sie war nur zufällig da.“ Selbst in seinen eigenen Ohren klangen diese Worte nicht überzeugend.

Owithir nahm die mit Silber beschichteten Metallfesseln aus dem Gürtelbeutel. Er war jetzt beinahe neben dem Dämonenbeschwörer, und einen Moment lang schien die Welt den Atem anzuhalten. Dann schrie Tafgen plötzlich hinter ihm: „Er hat ein Messer.“ Dies war der Moment, in dem alles schief zu laufen begann. Pethen machte den Fehler, mit der Hand zu zucken, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass sich das Messer durch seinen Kniefall unter seiner Jacke abzeichnete. Er hatte seinen Arm nicht einmal bis zu seinem Kopf heruntergenommen, als sich Tafgens Sehne löste. Der Bolzen schob sich langsam über den Lauf, verließ die Armbrust und glitt durch die Luft auf Pethen zu. Er war überrascht, dass er nicht starr vor Angst dort kniete, sondern dem Bolzen gelassen entgegenblickte. Es bedurfte nur eines Gedankens, und das Geschoss wurde von einer unsichtbaren Wand in die Erde gelenkt. Die Energie, die er ausgesandt hatte, folgte dem Weg des Angriffs zurück und schleuderte den Mann durch einen der Marktstände.

„Es ist nicht an dir, dich für mich zu opfern.“ Hyleis Stimme erklang hinter ihm. Als er sich ergeben hatte, hatte er seine volle Aufmerksamkeit dem Priester zugewandt, der jetzt entsetzt zuerst auf ihn, dann auf den Feenling blickte. Er konnte deutlich spüren, wie jener dachte, dass die Aufgabe nur vorgespielt gewesen war.

„Nein! Das habe ich nicht gewollt!“, doch seine Worte wurden von dem Rauschen zweier Wasserstrahlen übertönt, die die Bewaffneten neben dem Priester einige Schritte weit die Gänge hinunterspülten. Pethen hatte nicht gewusst, dass Hylei so gut geworden war, dass sie zwei Strahlen gleichzeitig erzeugen konnte, verschwendete jedoch keinen Gedanken mehr darauf, als der letzte verbliebene Wächter seine Waffe auf ihn richtete. Er hob die Hand und kümmerte sich nicht weiter um den Mann. Noch während der Bolzen an der unsichtbaren Wand abprallte und in einem Korb mit Äpfeln verschwand, blickte er sich nach Hylei um. Sie hatte sich an einer Kreuzung nicht weit von ihm entfernt positioniert und deutete immer noch mit beiden Händen auf die Stellen, wo eben noch ihre Feinde gestanden hatten. Pethen wollte sich erheben, aber in diesem Augenblick wurde der Schild zwischen ihm und seinen beiden Gegnern hinweggesprengt. Er wurde nach hinten geworfen. Aber selbst auf dem Rücken konnte er dem Priester widerstehen. Auch er hatte jetzt eine Hand gehoben und versuchte ihn wie beim letzten Mal mit einer Energiewand zu erdrücken. Pethen pressete mit seinen beiden Händen gegen die Wand und zwischen seinen Händen begann kleine, blaue Blitze zu zucken. Wenn es ihm gelang, sich zu konzentrieren, könnte er leicht Gegenwehr leisten, doch zu viel stürzte in diesem Augenblick auf ihn ein: Der Druck auf seine Arme, der Schmerz in seinem Hinterkopf, die Sicht, die ihm zeigte, wie der Armbrustschütze seine Waffe spannte, Hylei die Magie zu sich sog und der Anführer der Soldaten, die die Menge vor sich hergetrieben hatte, seinen Arm hob. Wie die Männer die Armbrüste anlegten.

Die Angst quoll aus ihm heraus und ließ seine beiden Gegner zurücktaumeln. Auch Hylei wurde von dem Gefühl getroffen, fiel zuerst auf die Knie und schließlich mit dem Gesicht auf die Erde. Sie hielt sich den Kopf, in dem verzweifelten Versuch, der Angst Herr zu werden.

Ähnlich ging es dem verbliebenen Krieger. Die Gruppe um den zweiten Priester jedoch bekam nur noch die Ausläufer der Angst zu spüren. Sie wurden nicht wie die anderen von ihr bezwungen, sondern reagierten jeder auf die ihm gegebene Art. Heigadan gab den Befehl zu schießen und die meisten folgten ihm.

Hylei, die ihr Ziel gewesen wäre, konnte in ihrer Panik noch die Bolzen über sich schießen spüren, als sie zu Boden ging. Sie hatte Glück. Nicht so fünf der rennenden Marktbesucher, die von Pethens Angst beflügelt blind durch die Gänge stürmten.

Nur Owithir schien nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Sein Angriff war für den Augenblick abgebrochen, er stand aber immer noch an der Stelle, von der aus er Hyleis Angriff beobachtet hatte. Fremde Angst war ihm nicht neu, zu oft hatte er sie in den Kellern des Tempels gespürt. Er hatte gelernt, ihr zu widerstehen. Die Heftigkeit hatte ihn trotzdem stocken lassen.

Auch Pethen hatte sich jetzt wieder im Griff, nachdem seine Angst hinausgeströmt war. Er konnte beobachten, wie die Armbrustschützen hastig und ungeschickt ihre Waffen nachluden. Die fünf anderen Krieger würden noch eine Weile außer Gefecht bleiben, einer von ihnen mochte sogar tödlich verwundet sein. In dem Priestermagier sah er jedoch bereits Magie fließen, zu seiner Überraschung nicht aus der Umgebung angezogen, sondern nur durch den Körper. Was immer er vorhaben mochte, Pethen kam ihm zuvor, indem er aufsprang und ihm eine Faust in den Bauch rammte.

Owithir krümmte sich zusammen. Wenn er mit allem gerechnet hätte, den körperlichen Angriff eines Magiers hatte er nicht erwartet. Nun war es an ihm auf die Knie zu gehen. Er sah dem Hexer nach, wie er zu der Frau lief, die seine Männer fortgespült hatte. Während er ihr auf half, schossen die Wächter aus dem Tempel erneut. Der Hexer machte sich nicht einmal die Mühe, in ihre Richtung zu blicken, dennoch erkannte Owithir, dass er gerade rechtzeitig eine Wand erschaffen hatte, die die Geschosse mühelos abfing. Allerdings beschränkte der Beschwörer seine Magie nur auf den kleinen Bereich vor sich und seine Buhle. Erneut fanden Geschosse lebende Ziele und beendeten das Leben unbeteiligter.

Der Diakon wollte seinem Amtskollegen zurufen, dass er seinen Männern Einhalt gebieten sollte, musste jedoch feststellen, dass jener seine Männer noch anfeuerte, ihre Salven zu beschleunigen. Er musste diesem Desaster ein Ende bereiten. Mit der Linken zog er sich an einem Stand hoch und streckte die Rechte aus, um die göttliche Energie gegen die Häretiker zu senden.

Der Hexer schrie die Frau an. Sie versteifte ihre Schultern und verwandelte sich in Owithirs göttlicher Sicht in eine Säule puren Lichts, so hell, dass sie ihn blendete. Dann schossen Flammenstrahlen von ihr fort und trafen zwei der Tempelwächter.

Mehr sah er jedoch nicht mehr von ihren ruchlosen Zaubern, denn sein eigener Angriff wurde geblockt, bevor er beginnen konnte. Zum zweiten Mal überrumpelte ihn der Hexer und warf ihn bis zu Marinam zurück, der immer noch gegen seine Angst kämpfte. So plötzlich wie der Angriff gekommen war, endete er jedoch auch wieder. Owithir entriss seinem Gefolgsmann die Armbrust und legte an.

 

Hylei zitterte immer noch am ganzen Körper. Sie hatte jedoch gelernt, Angst in Wut zu verwandeln und nutzte sie, um weitere Magie zu sammeln. Sieben ihrer Angreifer waren bereits tot oder von den Flammen schwer verwundet. Sie hatte noch nicht so viel Übung mit den Feuerzaubern, weswegen sie sie schneller erschöpften. Aber ihr ganzes Empfinden schrie nach den versengenden Bränden, die ihre Feinde so viel endgültiger besiegen würden, als die ihr vertrautere Wassermagie. Hätte ihr jemals jemand gesagt, dass Pethen und sie ein gutes Team im Kampf sein würden, sie hätte ihn vermutlich ignoriert und aus der Liste der vernünftigen Menschen gestrichen. Denn obwohl sie seinen Angstzauber hasste, wie sie nur wenig zuvor gehasst hatte, war die Kombination seiner Abwehr und ihrer Angriffe nahezu unschlagbar, solange sich niemand aus einer anderen Richtung näherte.

Sie hatte noch nicht genügend Magie gesammelt, um die nächsten drei Flammenpfeile zu verschießen, als sie aus dem Augenwinkel den Mann mit der Armbrust sah. Auch sie konnte sich an ihn erinnern. Sie vergaß nicht so leicht das Gesicht eines Mannes, der sie durch mehrere Hecken geschleudert hatte. Ihre Instinkte setzten ein und reflexartig schickte sie einen schwachen Flammenball auf den Priester zu.

 

Owithir würde die Feuerkugel noch in vielen Träumen auf sich zufliegen sehen. Der Schmerz in seiner Hand, als die Armbrust aus seinem Griff gesprengt wurde, verwandelte sich schnell in Agonie, als er ungläubig auf die schwarze, verkrümmte Kralle blickte, die eben noch die Waffe gehalten hatte. Unter schreien brach er zusammen.

 

Als ihr Anführer zu Boden ging, verließ die verbliebenen Angreifer der Mut und der zweite Diakon gab den Befehl zum Rückzug, eine Formulierung, die nur den gesprochenen Worten nach der Wahrheit entsprach, denn mit dem Befehl flohen die Wächter und ihr Befehlshaber zurück zum Tempel ohne irgendeine Ordnung einzuhalten. Sie ließen ihre Verwundeten und Toten zurück, in der Hoffnung, dass die Dämonenbeschwörer verschwinden würden oder andere Wächter ihrer in noch größerer Überzahl Herr werden könnten.

Pethen blickte noch auf ihre Rücken, als Hylei bereits auf den Priester zuschritt, um ihr Werk zu vollenden. Wären seine Gedanken nicht so sehr auf die Fliehenden gerichtet gewesen, er hätte vermutlich versucht, sie aufzuhalten. So bemerkte er ihr Vorhaben jedoch zu spät und sie stand bereits zwei Schritte von ihrem Verfolger entfernt. Er sah, wie sie erneut die Magie in sich sammelte.

Dann ließ sie sie wieder aus sich herausfließen, ohne ihr ein Ziel zu geben.

„Bitte, tun sie Wohlehrwürden nichts an.“

Pethen hörte die Worte noch bevor er ihren Urheber erkennen konnte. Nur langsam dehnte sich seine Wahrnehmung wieder in alle Richtungen aus, nachdem er sie so sehr auf die Feinde vor sich konzentriert hatte.

Ein junges Mädchen hockte hinter dem Priester und hielt seinen Kopf in ihren Händen. Mit großen, flehenden Augen blickte sie Hylei an.

„Geh weg. Ich will dir nicht wehtun.“

„Herrin. Bitte, warum müsst ihr denn so furchtbar böse Dinge tun?“

Hylei blickte sie verständnislos an. Was dachte dieser Balg? Dass sie diesen Priester nur aus Spaß verwundet hatte?

„Lass uns fliehen, Hylei. Wir müssen weg.“

„Wenn wir ihn nicht jetzt töten, Modonhirn, dann kommt er wieder hinter uns her.“

„Du hast Recht, aber er ist wie ich. Ich bin ganz sicher. Seine Magie macht genau dieselben Sachen wie meine.“

„Und was hat das damit zu tun?“

„Wahrscheinlich weiß er es nicht besser?“

„Seit wann ist das ein Grund, einen Feind nicht zu töten?“

Inzwischen hatte sich das Mädchen vor den Priester gestellt, der sie mit fiebrigen Augen betrachtete. Sie breitete theatralisch die Arme aus, als glaubte sie tatsächlich, auf diese Weise einer Magierin den Weg versperren zu können. Hyleis Augen schienen Feuer zu sprühen und Pethen konnte die Furcht in dem Mädchen sehen. Gleichzeitig zog seine Gefährtin bereits wieder Magie zu sich. Es wäre ihr ein Leichtes, beide auf einen Schlag umzubringen, oder auch das Lästige Hindernis aus dem Weg zu wischen und nur den Priester zu töten. Doch sie zögerte immer noch.

Pethen erschien neben ihr. Er wagt nicht, sie anzufassen, dennoch bemerkte sie ihn und konnte sich nicht entscheiden, ob es sie wütender machte oder beruhigte, ihn neben sich zu wissen. Dabei wandte sie nicht den Blick von dem Mädchen, das ihr mit einer Kraft trotzte, die über das Maß des Menschenmöglichen hinauszugehen schien.

„Lass uns fliehen, Hylei. Vielleicht können wir noch das Tor erreichen, bevor sie es schließen.“

Sie drehte sich um. Eine Träne der Wut rann ihre Wange herunter.

Pethen wollte ihr folgen, nahm sich aber die Zeit, noch ein paar letzte Worte an das Mädchen und den Priester zu richten.

„Wir haben das nicht gewollt. Wir haben uns doch nur verteidigt. Bitte, verfolgt uns nicht mehr. Wir haben euch doch nichts getan.“

Dann rannte er los, denn die Krieger, die durchnässt einige Stände weiter lagen, erhoben sich langsam. Er wünschte sich, er hätte mehr Zeit gehabt. Vielleicht hätte er den Priester dann überzeugen können, dass er so war wie er, ein Magier. Unter den gegebenen Umständen, wäre es jedoch Wahnsinn gewesen, es auch nur zu versuchen. Er hatte sie all die Wochen verfolgt und war jetzt zum zweiten Mal von ihnen besiegt worden. Die paar Worte, die Pethen noch hätte sagen können, bevor er in einen erneuten Kampf verwickelt worden wäre, würden ihn nicht umstimmen können.

 

Er holte Hylei erst am Ausgang des Marktes ein, wo sie zwei Männern gegenüberstand. Den einen von ihnen, einen hageren, zottigen Mann, kannte er nicht. Der andere war jener Fremde, der ihn gefunden hatte. Der Zottige hob beschwichtigend die Hände, als er Pethen auf sich zukommen sah, als hätte er geahnt, dass der junge Magier bereits die nächsten Zauber durch seinen Körper gleiten ließ. Wie sie es geschafft hatten, Hylei von einem Angriff abzuhalten, war ihm unbegreiflich. Denn nichts konnte jetzt so wichtig sein, dass sie noch länger hier verweilen durften.

„Schnell, wir haben nicht viel Zeit.“ Der Hagere winkte ihm. Noch als er die Entfernung überbrückte, drehten sich die Männer um und gingen mit den ausholenden Schritten geübter Wanderer zu einer Gasse, in der sie verschwanden. Hylei folgte ihnen bereitwillig. Sobald sie den Fremden in ihrem Weg gesehen hatte, hatte sie noch im Laufen einen weiteren Wasserstrahl geschleudert, der jedoch einfach verschwunden war, kurz bevor er sein Ziel erreicht hatte. Der Schock über das gesehene ließ ihre Füße am Boden festfrieren. Sie hätte nicht überraschter sein können, wenn der Strahl zu ihr zurückgekehrt wäre. So hatte sie dort gestanden, bis Pethen sie eingeholt hatte. Sobald sie hinter den Männern hergingen fiel er in Schritt mit ihr, wie er es auf der Flucht so oft getan hatte.

Sie brauchten den Männern nicht weit hinterher zu laufen. Bereits wenige Schritte in die Gasse hinein blieben sie stehen und wandten sich an die beiden Flüchtlinge.

„Wir helfen euch, aus der Stadt.“ Der Hagere blickte den beiden abwechselnd in die Augen. „Ihr kennt mich nicht, und meinem Freund vertraut ihr nicht, wie es aussieht.“ Er lächelte, als müsste er sich über einen kleinen, privaten Scherz amüsieren. „Trotzdem hoffen wir, dass ihr uns erlaubt, euch zu helfen.“

Pethen merkte erst jetzt, wie sehr ihn der Kampf ausgelaugt hatte. Wo eben noch Angst und auch eine Spur Wut gewesen waren, war jetzt nichts mehr. Hylei neben ihm schien jedoch immer noch in ihrem Zorn zu vibrieren.

„Lasst uns einfach gehen.“ Auch ihre Stimme verriet ihre wütende Ungeduld.

„Nicht bevor wir nicht den Faden gekappt haben.“

Pethen hielt die Hand vor seine Gefährtin, weil er wenigstens hören wollte, was der Fremde vorzuschlagen hatte.

„Ich kann schnell was tun, damit er fürs erste verborgen ist, aber kappen musst du ihn selbst.“ Der Fremde wartete auf eine Reaktion, aber Pethen war zu verwirrt, um eine Entscheidung treffen zu können.

„Die Zeit rennt euch davon“, warf der Dürre wieder ein. „Die Tore werden bald geschlossen, selbst wenn die Priester nicht vor euch bei ihnen sind. Ihr müsst uns einfach glauben, dass wir nicht eure Feinde sind.“

„Warum wollt ihr uns helfen?“ Hylei konnte ihre Feindseligkeit nicht ablegen.

„Ihr habt dort hinten sechs Männer getötet und noch mehr verwundet. Sie sind euch seit Tagen, wenn nicht sogar Wochen auf den Fersen und du fragst sowas? Ihr könnt jede Hilfe gebrauche, die ihr kriegen könnt.“

„Lass gut sein. Genau deshalb fragen sie ja.“ Der Hagere schien der Besonnenere der beiden zu sein. „Es gibt viele Gründe, aus denen wir euch helfen wollen. Nicht der geringste ist sicherlich, dass ihr Hilfe benötigt. Aber wir wollen auch, dass ihr keine Unruhe mehr stiftet, denn so etwas, wie dieser Kampf, könnte unsere eigenen Pläne gefährden. Daher müsst ihr aus der Stadt raus.“

„Damit kann ich leben, Hylei.“ Pethen fing sich einen Schlag gegen die Schulter und einen bösen Blick ein und bemerkte, dass er ihren Namen genannt hatte.

„Ich bin Estron“, sagte der Hagere, der offensichtlich das Problem erkannt hatte. Er verbeugte sich leicht. „Wenn du mir erlaubst, dann werde ich dir zeigen, wie du den Faden kappen kannst.“

Pethen nickte, war trotzdem überrascht, als der Mann ihm an die Stirn fasste. Er wäre gerne vor der Hand und den Gefühlen, Gedanken und Ideen, die plötzlich in ihn drangen, zurückgeschreckt, konnte sich jedoch nicht bewegen. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge von Magie und ihrer Verwendung, Begriffe, die ihn verstehen ließen, was in ihm vorging, Fähigkeiten, die er sich niemals vorgestellt hatte. Für Stunden stand er so da und versuchte all das Neue zu verarbeiten, bis er nur einen Augenblick später wieder in der Gasse stand und schwer Atmete. Der Hagere fing ihn auf, als ihm die Beine den Dienst verweigerten.

„Was haben sie mit ihm gemacht?“ Mit einer geschmeidigen Bewegung zog sie ihr Messer und hielt es Estron unter das Kinn. Aber genauso schnell umfasste die Hand des Fremden ihr Handgelenk und fixierte es wie in einem Schraubstock. Sie versuchte sich aus dem Griff zu befreien, aber ihre ersten Versuche waren vergeblich.

„Es geht ihm gleich wieder gut. Er muss nur die neuen Gedanken ordnen.“ Er richtete den schlaffen Körper wieder auf, bis Pethen sich von allein aufrecht halten konnte. Der junge Mann schüttelte den Kopf.

„Du weißt, wie du die Verbindung trennen kannst?“ Pethen nickte. „Dann tu es.“

Pethen ließ sich auf die Erde sinken. „Es ist in Ordnung.“ Ein kurzer Blick zu seiner Partnerin, die von ihrer Angriffshaltung in einer der Abwehr wechselte, das Messer jedoch nicht wieder in der Scheide verschwinden ließ, nachdem der Fremde ihre Hand entlassen hatte. Sie ließ keine Reaktion erkennen, außer dass sie die Hand sinken ließ.

Auf den Knien zu sitzen war nicht besonders bequem, aber nicht so kalt wie der Schneidersitz und Pethen würde auch nicht viel Zeit benötigen. Den Zauber, den er vollbringen musste, hatte er zwar noch nie gewirkt, aber das Wissen, dass der Hagere ihm geschenkt hatte, war wie eine frische, perfekte Erinnerung. Wenn er sich daran hielt, konnte er nichts falsch machen. Und das Ausführen von Anweisungen hatte er zur Genüge in der Magierzuflucht eingeübt, selbst wenn es ihm nie zu etwas nütze gewesen war.

Nachdem er in seiner Vorstellung die Magie auf diese ganz bestimmte Art gesammelt und um seinen Bauchnabel konzentriert hatte, zog er sie zusammen und sah den Faden, den er in letzter Zeit gar nicht mehr wahrgenommen hatte, wie ein Spinnweb davonwehen. Mit dem Ende der Arbeit rauschte ihm das Blut in den Kopf und er taumelte nach vorne. Fremde Hände fingen ihn zum zweiten Mal auf, er schüttelte sich jedoch und kam aus eigener Kraft wieder auf die Beine.

„Das fühlte sich ungewöhnlich an. Ein bisschen wie zu viel Bier.“ Sein Kopf war heiß, das Gefühl ließ jedoch langsam nach.

„Dann helfen wir euch jetzt noch raus“, sagte der Fremde und winkte vor ihren Gesichtern herum. Hylei wich vor der Hand zurück. Dann schnellte ihr Kopf plötzlich herum und sie studierte Pethens Gesicht, als hätte sie es noch nie gesehen. Pethen, der immer mehr auf seine andere Sicht vertraute, fiel erst durch ihr Verhalten auf, dass ihr Gesicht, welches er mit seinen Augen sah, nicht mehr mit dem übereinstimmte, das die Sicht ihm zeigte. Auch er begann sie von oben bis unten zu betrachten. Der Fremde hatte ihr Äußeres verändert, aber nicht ihre Körper, wenn das einen Sinn ergab. Er fasste an sein Gesicht und es fühlte sich genauso an, wie zuvor.

„Es ist nur ein kleines Trugbild. In drei Tagen vergeht es von selbst.“

Hyleis fremdes Gesicht sprach Bände, und man musste nicht ihre Gedanken lesen, um sie deuten zu können. Sie verbscheute es, dass man einen Zauber auf sie gelegt hatte. Sie verabscheute es, nicht einmal gefragt worden zu sein. Und vor allem verabscheute sie es, dass man ihr ungebeten etwas Gutes tat. Gleichzeitig war ein kleiner Teil von ihr Dankbar für die Hilfe, was sie zu verbergen suchte, sich jedoch in ihrem nun menschlicherem Gesicht besser zeigte als in ihrem eigenen.

„Wie können wir euch danken?“ übernahm Pethen den Gesprächsfaden.

„Bleibt am Leben. Lasst euch nicht schnappen. Lehrt euer Können anderen und helft ihnen, sich im Verborgenem zu halten, bis Magie wieder öffentlich verwendet werden kann.“

Pethen nickte, auch wenn er dabei fürchtete, ein Versprechen abzugeben, dass er niemals einhalten können würde.

„Geht jetzt. Möge Emaofhia über euch Wachen.“

Ohne zu zögern, drehten sie sich um und liefen in Richtung des östlichen Stadttors. Und die ganze Zeit über grübelte Pethen, wer Emaofhia sein mochte.

 

„Du weißt, dass er nicht über sie Wachen wird.“

„Das weiß ich. Aber er wird immer wieder einen Blick in ihre Richtung werfen. Das ist doch auch schon was, oder?“

„Vielleicht. Ich hoffe es für sie. Denn du hattest Recht: Sie können jede Hilfe gebrauchen, die sie bekommen können.“ Estron blickte Shaljel mit einem Lächeln an. „Der Wärmezauber war eine nette Idee.“ Shaljel antwortete mit einem Grinsen. Sie schlugen den Weg zurück zum Haus von Salvina und Greivano ein, wobei sie nicht versäumten, ein paar Umwege zu machen, um mögliche Verfolger in die Irre zu führen. „Wie lang wird der Zauber anhalten?“

„Ich hoffe bis die ersten Knospen sprießen. Sie haben einen harten Winter vor sich.“

„Das haben wir alle. Aber sag mir eins, Shaljel: Warum hast du diesen Zauber nicht auch auf meine Schüler gelegt?“

„Wieso? Das hättest du doch selber machen können?“ lachte Shajlel.

„Du weißt, dass ich die Magie meide.“

„Ach! Aber ein paar Fellfetzen konntest du zusammenzaubern? Du weißt einfach nicht, was du kannst.“

Estron schwieg. Shaljel sprach einen wunden Punkt an. Er war mit der Magie immer noch nicht vertraut, so dass ihm seine eigenen Möglichkeiten oft nicht in den Sinn kamen. Allerdings war er sich sicher, dass auch der Feen oft genug nicht an seine eigenen Fähigkeiten dachte und vor allem auch nicht an die Bedürfnisse anderer, die nicht über sie verfügten.



Feen 2: Der Angriff beginnt

Mittwoch, 24. September 2014, 17:23
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Owithir, seine Männer und Reigerin hatten bereits ihr Brot gegessen, als ein weiterer Priester vor der Pforte erschien. Owithir kannte ihn, auch wenn er nur wenig mit ihm zu tun gehabt hatte. Er wusste, dass der ältere Diakon, der den Namen Heigadan trug, sich mehrfach bei der Jagd nach Ketzern hervorgetan hatte. Was dies genau bedeutete, wusste Owithir inzwischen nicht mehr zu sagen. Früher wäre er sich sicher gewesen, dass es für Heigadans Glauben sprach, für seine Aufopferung, seine Hingabe. Er hatte jedoch zu viele Priester erlebt, denen es Spaß zu machen schien, die Ketzer zu töten, und die dabei keine Rücksicht darauf nahmen, dass auch andere zu Schaden kommen konnten. Wenn Wächter starben, war das schlimm genug, aber sie wussten immerhin, auf was sie sich einließen. Wenn jedoch Gläubige, die sie schützen vorgaben, unter der Jagd auf die Häretiker litten, stellte sich für Owithir die Frage, ob sie dann nicht genauso gefährlich waren, wie die Menschen und Halbmenschen, die sie jagten.

Und, ohne es zu wollen, spürte Owithir die Person, die Heigadan war, als er auf ihn zukam. Es blieb die Hoffnung, dass der Diakon sich in der Stadt mäßigen würde.

Nachdem Owithir Heigadan die notwendigsten Details mitgeteilt hatte, hatte sich der Trupp auf den Weg gemacht, um die Spur wieder aufzunehmen. Reigerin hatte er der Obhut des Abts anvertraut.

„Er wird sich um dich kümmern.“ Er hatte sich vor sie gekniet und bei den Schultern gefasst. Es war eine Geste, die er bei Eltern mit ihren Kindern gesehen hatte. Sie wirkte vertraut und freundlich, familiär, etwas, nach dem er sich immer gesehnt hatte, obwohl er es lange nicht hatte wahrhaben wollen.

„Sollte mir etwas zustoßen, dann wird er dafür sorgen, dass du unterkommst.“ Er hatte ihr in die Augen geblickt und durch seine Hände gespürt, wie Furcht in ihr aufgestiegen war. Er mochte es nicht, fremde Gefühle zu spüren, hatte es nie gemacht, meist konnte er sich jedoch nicht dagegen wehren. Deswegen vermied er es meist, jemanden zu berühren. Reigerin hielt sich jedoch jeden Tag an ihm fest und ihre Gefühle schienen ihm inzwischen so vertraut wie seine eigenen.

„Ich will nicht hier bleiben, lasst mich nicht allein, Wohlehrwürden.“, Owithir hatte im Augenwinkel wahrgenommen, wie der Abt ob der falschen Anrede hatte Einspruch erheben wollen, ignorierte jedoch die Bewegung.

„Ich komme wieder. Die Götter haben mich beschenkt und werden mich beschützen. Wir werden zurückkehren, Reig.“ Er schenkte ihr ein mühsames Lächeln und Reigerin antwortete ihm mit einer unziemlichen Umarmung, die Owithir geschehen ließ.

 

Sie hatten die Hafenstraße erreicht, ohne dass Owithir die Spur gesehen hatte. Die beiden Dämonenbeschwörer schienen einen Bogen um den Tempel Veshtajoshs gemacht zu haben, was niemanden wundern sollte. Auf der großen Straße jedoch zogen sich die leuchtenden Fäden hin und her, und die neuste führte direkt zum Markt. Owithir stellte sich an den ersten Stand und blickte die Reihe hinunter. Die Spur verschwand in einer Marktgasse.

„Diakon, führt die Zwanzig die Reihen hinunter. Ich werde mit meinen Männern am Rand des Markts entlanggehen. Die Ketzer sind hier. Seid bitte vorsichtig und verletzt niemanden.“

Heigadan legte den Kopf zur Seite und brüllte: „Wächter, in Vierergruppen die Gassen entlang.“ Der Ausdruck in seinem Gesicht verriet nicht, was er von Owithirs Worten hielt, der fehlende Gruß jedoch sprach Bände.

„Wartet mit eurem Angriff auf mein Wort. Versucht nicht, die Hexer ohne meine Hilfe gefangen zu nehmen.“ Owithir blickte den Männern mit einem unguten Gefühl hinterher, dann machte er sich selbst auf den Weg, gefolgt von seinen fünf Gefolgsleuten.

Es dauerte nicht lange bis er den Ursprung der Spur entdeckte. Der Mann rannte die Gassen entlang, ohne sich umzusehen. Er strebte auch keinem Ausgang zu. Wo er hin lief, konnte Owithir nicht erkennen, es lag jedoch nahe, dass er wusste, dass seine Verfolger ihn eingeholt hatten. Der Priester schickte Laftin und Kalig zur rechten, behielt Marinam bei sich und sandte die beiden anderen nach links. Dann gingen sie gemeinsam voran, immer auf den Hexer zu. Seine Männer hielten ihre Armbrüste Schussbereit, ein Umstand, der Owithir schlimmes befürchten ließ, denn auf dem Markt liefen immer noch zu viele Unbeteiligte herum. Er sah aber ein, dass sie mit ihren Nahkampfwaffen kaum eine Bedrohung für die Hexer darstellen würden.

Plötzlich blieb der Dämonenbeschwörer stehen. Er schien sein Ziel erreicht zu haben, blickte sich jedoch um, bis er Owithir direkt in die Augen zu sehen schien.



Introducing Linnbeth

Dienstag, 23. September 2014, 11:21
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Die Feldstraßler suchen Frau Linnbeth auf: Kapitel 97



Feen 2: Kampf auf dem Markt 1

Montag, 22. September 2014, 14:29
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Inzwischen waren die ersten Marktweiber dabei, ihre Stände abzubauen um in ihre Hütten vor der Stadt zurückzukehren. Hylei und Pethen hatten sich nur kurz in einer Seitengasse des Marktes getroffen, um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Mit dem wenigen Geld, das ihnen zur Verfügung stand, wollten sie sich so gut es ging ausrüsten. Jeder für sich schlenderte über den Platz und arbeitete seinen Teil ihrer Einkaufsliste ab. Sie besaßen beide keine Erfahrung im Feilschen, der Umstand, dass viele noch ein Geschäft am Abend machen wollten, kam ihnen jedoch zur Hilfe.

Pethen versuchte Hylei im Auge zu behalten, was nicht weiter schwer war, denn sie leuchtete wie eine Spiegellampe in seiner Sicht. Tatsächlich war es schwerer, sich nicht von ihr ablenken zu lassen. Was der Fremde ihm über seine Sicht gesagt hatte, war ihm dabei nicht hilfreich. Sobald Hylei ihn nach dem Gespräch wieder allein gelassen hatte, hatte ihn die Neugier gepackt und er hatte vorsichtig den Kreis, in dem er alles zu sehen glaubte, weiter und weiter ausgedehnt, bis er tatsächlich die ersten Häuserreihen um sich herum durchbrochen hatte. Dann hatte er sich zwingen müssen, wieder in der Nähe zu sehen, ein verzweifeltes, erfolgloses Unterfangen. Verzweiflung, Angst, Panik. Dann, plötzlich und schmerzhaft, hatte ihn jemand gerüttelt. Allein die Berührung war wie der Stich mit einem weiß-glühendem Eisen gewesen. Er hatte aufgeschrien, war zurückgeschreckt, zusammengezuckt, auf die Knie gefallen. Aber seine Sicht war wieder um ihn herum, bis zum nächsten Haus. Er hatte aufgeblickt und einen der anderen Arbeiter gesehen, mit seinen Augen, und ließ sich von ihm beim Aufstehen helfen.

Seitdem musste er kämpfen, um nicht weiter zu sehen, als er es tatsächlich wollte, gerade so, als hätte dieser eine Vorfall Schleusen geöffnet, die nur unter Anstrengung geschlossen blieben. Daher entging ihm nur wenig von dem, was auf dem Markt geschah, auch wenn er nicht alles begriff oder auch nur verarbeiten konnte. Der Priester und die Krieger, die ihn begleiteten, konnten ihm nicht entgehen, als sie am Rand des Marktplatzes erschienen. Er hätte sie jedoch nicht weiter beachtet, wenn der Priester nicht eben so stark geleuchtet hätte, wie Hylei, nur in einer anderen Farbe, soweit er dieses Leuchten als Farbe betrachten konnte. Wenn man ihn gefragt hätte, hätte er vermutlich gesagt, dass das Licht, dass den Mann umgab, weiß war. Anschließend hätte er sich selbst berichtigt und für einen kurzen Moment darauf bestanden, dass es doch ein Blau war, bis er sich wieder zu weiß korrigiert hätte.

Er hatte schon mehrfach versucht, sich mit seiner Sicht selbst zu betrachten. Aber selbst wenn er seine Arme und Beine sehen konnte, sahen sie doch niemals anders aus, als wenn er sie durch seine Augen betrachtete. Nur dass sich dieser blasse, blaue Schimmer über sie legte, den er in seiner Sicht auch über allem anderen sah. Inzwischen wusste er diese Einfärbung seiner Umgebung als Zeichen zu deuten, dass er nicht mehr durch seine Augen blickte und achtete bewusst darauf, denn oft genug bedeutete dies, dass seine Augen geschlossen waren.

Obwohl er den Priester noch nie bewusst auf diese Weise gesehen hatte, wusste er durch dieses besondere Leuchten sofort, um wen es sich handeln musste. Auf den Reisen hatte er einfach zu oft darüber nachgedacht, dass die Magie, mit der der Priester Meister Zelon an einen Baum geschleudert und ihn selbst angegriffen hatte, seiner eigenen viel ähnlicher war, als alles, was Meister und Schüler der Magierzuflucht hatten zaubern können, selbst wenn erst der fremde Mann es ihm bewusst gemacht hatte. Es hieß immer wieder, dass die Götter ihren Propheten besondere Gaben verliehen, aber wenn diese Gabe von den Göttern stammte, dann war auch er, Pethen, gesegnet worden.

Er begann zu rennen, an den Marktständen, Zelten und Buden vorbei, schließlich zwischen ihnen hindurch, um zu Hylei zu gelangen. Am Rande seiner Wahrnehmung nahm er wahr, dass sich der Priester, ihr Verfolger, mit nur fünf Kriegern um den Markt herum bewegte, während der Rest sich langsam die Einkaufspfade entlangarbeitete und dabei die Menge vor sich herschob.

 



Es werden Waffen bestellt

Sonntag, 21. September 2014, 21:49
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Die Kinder aus der Feldstraße kommen bei Herrn van der Linden an und erhalten einen Zettel: Kapitel 96



Utopia, 2. Staffel

Samstag, 20. September 2014, 22:54
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Zum ersten Mal hatte ich dieses Gefühl, glaube ich, bei Hanna, dieses massive Auseinanderdriften von audio und visueller Wahrnehmung. Damals war es die Melodie, die den einen Killer begleitete, die eher wie ein Kinderlied klang.

Utopia erreicht dies bei mir nicht nur über Musik und Bild, sondern auch über die Farbkompositionen , die einerseits einen visuellen Rahmen der Serie bilden und andererseits oft genug im Gegensatz zur Brutalität der Handlung stehen.

Und Utopia ist brutal. Von Folterungen, über kaltblütigen Mord hin zu der Gnadenlosigkeit der gesamten Situation kann einem diese britische Serie wirklich unter die Haut gehen. Während die zweite Staffel keinen Massenmord in einer Schule mehr zeigt, bleibt genug, weswegen man das Gerät abschalten möchte.

Zu hilf- und planlos sind die „Helden“, zu mächtig und skrupellos der Feind.

Trotzdem würde man eine der besten Serien der letzten Jahre verpassen, wenn man sich Utopia nicht ansieht.



Feen 2: Owithir kriegt eine Beförderung

Freitag, 19. September 2014, 17:19
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Reigerin starrte auf das Tor, durch das sie reiten mussten, um in die Stadt zu gelangen. Sie hatte den Rauch, der aus den vielen Schornsteinen stieg, schon seit dem Mittag gerochen und schließlich auch am Horizont gesehen, lange Zeit bevor die ersten Häuser erkennbar wurden. Sie hatte Wohlerwürden gefragt, warum sie auf das Feuer zureiten würden, hatte zuerst aber nur ein Lachen der Wachen geerntet, bis Owithir sie aufgeklärt hatte. Seitdem hatte sie sich gewundert, was sie wohl zu sehen bekommen würde, sobald sie die Stadt erreichten.

Gleichgültig, was sie erwartet haben mochte, es war nicht das, was sie vorfand. Sie war gleichzeitig enttäuscht und über alle Maßen beeindruckt. Imanahm war grau und schmutzig. Die gewaltigen Mauern, die sie passieren mussten, bestanden aus riesigen, behauenen Steinen, einige so groß wie Reig selber. Sie hatte zuerst gedacht, sie ritten auf einen Steinbruch zu. Erst als sie das Tor gesehen hatte, hatte sie auch die Zinnen wahrgenommen.

Die Wächter am Tor waren eine Enttäuschung. Sie war Wochen lang mit den fünf Männern unter Owithir geritten, harten Männern, so aufrecht und stolz, wie sie da auf ihren Ges saßen. Die Wächter, die nur für einen kurzen Augenblick versuchten, ihnen den Weg zu verstellen, waren vielleicht nicht ganz so schmutzig wie Marinam und die anderen. Aber in ihre Gesichter stand die Angst geschrieben, als sie Owithir erkannten. Sie wichen feige und unterwürfig zurück. Dadurch fühlte sie sich auf seltsame Weise überlegen, obwohl sie ein junges Mädchen war. Sie hatte keine Angst vor Owithir.

Sicher, die Tore, die die ganze Zeit offen standen, waren groß und beeindruckend. Die Häuser, an denen sie auf ihrem Weg vorbeikamen, waren jedoch alt und in einem schlechten Zustand. Je weiter sie sich zum Zentrum vorarbeiteten, desto besser wurden allerdings die Gebäude, bis sie den Marktplatz sehen konnte. Bevor sie den Platz jedoch erreichten, bogen sie zur rechten ab und gelangten auf diese Weise in eine Gasse, durch die das Bataga sich nur mühsam bewegen konnte. Mehrfach stießen Owithirs Beine bei den schwankenden Bewegungen gegen die Hauswände. Reig spürte, wie er sich jedes Mal dabei verkrampfte. Sie stellte sich vor, wie er die Zähne zusammenbiss, um nicht zu fluchen. Ihr Vater hätte geflucht.

Marinam meldete sich, sobald sie alle in die Gasse eingebogen waren: „Wohlehrwürden, müssten wir nicht zum Tempel Veshtajoshs und Bericht erstatten?“

„Wir sind auf dem Weg, Marinam. Aber der direkte Weg würde länger dauern. Selbst zu dieser Zeit ist der Markt noch zu voll.“

„Nach links wäre es noch schneller gegangen, Wohlerwürden. So müssen wir einmal um den Markt herum.“

Owithir schwieg. Er kannte den anderen Weg. Es war tatsächlich der Kürzere. Aber die Spur, die er immer noch verfolgte, verlief auf dieser Seite. Er würde sie so lange verfolgen, wie er vorgeben konnte, sich weiterhin auf dem Weg zum Tempel zu befinden, dann würde er sie für einen kurzen Moment aus den Augen verlieren müssen. Er hatte die unbegründete Furcht, dass sie, sobald er sich von ihr abwandte, verschwinden würde. Dabei waren sie anfangs mehrfach von der Spur abgekommen, als er sie noch nicht hatte sehen können, bevor die Götter sie ihm offenbart hatten. Je näher sie der Straße kamen, die in Richtung des Hafens führte, desto mehr Spur konnte Owithir erkennen. Zuerst dachte er, dass sie inzwischen so nahe an die Dämonenbeschwörer herangekommen waren, dass die Spur überdeutlich wurde. Es bedurfte jedoch nur eines zweiten Blickes, damit er diese Überlegung verwarf. Tatsächlich handelte es sich um mehrere Spuren, die sich immer wieder kreuzten. Einige älter, einige jünger, als wären sie immer wieder hier entlang gekommen. Owithir nickte, als sie die Hafenstraße kreuzten, um sich selbst zu bestätigen, dass sie am richtigen Ort waren. Auf dieser Straße waren sie ein paar Mal zum Markt gegangen und wenn er jetzt auf den Platz blickte, konnte er auch dort die Spur sich zwischen den Ständen schlängeln sehen.

 

Sie erreichten den Tempel kurze Zeit später. Er war gewaltig. Reigerin blickte die hohen Mauern hinauf. Sie sah die großen Fenster, die größten, die sie jemals gesehen hatte. Überhaupt hatte sie bisher nur hier in der Stadt und bei den Gasthäusern, an denen sie vorbeigekommen waren, Glasfenster gesehen. Aber nichts, dass auch nur annähernd so beeindruckend gewesen wäre, wie diese.

Reigerin konnte ihre Blicke nicht davon abwenden. Weswegen ihr bei diesem ersten Besuch auch nicht die Menschenmenge auffiel, welche von dem Tempel durch eine Absperrung ferngehalten wurde. Sie registrierte nicht einmal, dass einige der Verzweifelten versuchten, Owithirs Aufmerksamkeit zu erlangen. Erst beim nächste Mal, als sie den Platz mit offenen Augen für ihre Umwelt betrat, hielt sie die schreiende und heulende Menge für Bettler. Sie bettelten jedoch nicht um Brot, denn das erhielt man an anderen Tempeln leichter.

Als Owithir vor ihr von einem Wächter angesprochen wurde, gelang es ihr endlich, ihre Augen von dem Tempel loszureißen und etwas anderem zuzuwenden.

Die Kleidung des Mannes war der ihrer Wächter nicht unähnlich, nur sehr viel ordentlicher und besser für die Kälte ausgestattet. Einen Moment lang schien er den dreckigen Haufen, der auf ihn zukam, nicht zuordnen zu können, Als Owithir jedoch seinen Amtsstab unter seinem Hemd hervorholte, verbeugte er sich sofort.

„Ist gut, mein Sohn. Wir sind in Eile. Ich bin Subdiakon Owithir. Wir verfolgen zwei flüchtige Hexer. Wir erbitten Unterstützung in unserem Unterfangen.“

Der Wächter sah ihn mit großen Augen an. Owithir hatte schnell und mit Nachdruck gesprochen, aber nicht unfreundlich. So wie er sprach, hätte man annahmen können, dass er gerade vom Gebet kam. So wie er jedoch aussah, kam er vom Schlachtfeld. Der Mann war erst seit einigen Wochen ein Wächter und hatte zum ersten Mal das Amt des Meisters der Pforte inne. Aber über jemanden Namens Owithir hatte selbst er Gerüchte gehört. Sehr beängstigende Gerüchte.

„Ich werde sofort den Hochehrwürdigsten Abt verständigen, Wohlehrwürden.“ Er verbeugte sich erneut und rief etwas durch die geschlossene Tür hinter sich. Augenblicklich kam ein weiterer Wächter, der den Reisenden einen nicht zu freundlichen Blick zuwarf. Sobald er jedoch die Worte seines Kammeraden gehört hatte, verbeugte auch er sich und lief zurück ins Gebäude.

Der zurückgelassene Wächter blickte unsicher zu dem Mann auf dem Bataga hoch. Er und seine Gefolgsleute schienen keine Anstalten zu machen, von ihren Reittieren abzusteigen, was selten, aber nicht zu ungewöhnlich war. Sie mochten auf die offizielle Begrüßung durch einen Priester warten, oder sie waren dermaßen in Eile, dass es sich nicht gelohnt hätte. Es bestand aber auch die Möglichkeit, dass der Subdiakon vor ihm die Sondervollmachten eines Hexenjägers wahrnehmen wollte, und so seine Sonderstellung gegenüber dem Abt zu betonen beabsichtigte. Eine dumme Idee, wenn man hoffte, die Stufen der Hierarchie hinaufzuklettern, soviel wusste selbst der Wächter.

Während er noch über den Grund nachgrübelte, schwang bereits die Tür hinter ihm auf und er musste dem Abt den Weg frei geben. Der alte Mann war rüstig, atmete dennoch schwer, als hätte er sich sehr beeilt. Er blieb stehen, um den jüngeren aber verdreckten Mann mit zusammengekniffenen Augen zu mustern.

„Der junge Owithir ist zurückgekehrt. Warum kommst du nicht herein?“

„Euer Gnaden.“ Owithir verbeugte sich so tief, wie es ihm auf dem Bataga möglich war, „Wir haben zwei Hexer hierher verfolgt. Ich fürchte, dass sie uns entkommen könnten, wenn wir die letzten Stunden des Tages nicht noch ausnutzen.“

„Mein Sohn, wir haben deine Nachricht erhalten. War es wirklich so schlimm?“

„Ja, Euer Gnaden. Ich werde euch heute Abend gerne alles genau berichten, aber verzeiht mir, wenn ich euch nicht den gebührenden Respekt erweise. Die Götter haben mir mit ihrer Gabe offenbart, dass die Häretiker ganz nahe sein müssen. Daher bitte ich euch, mir einige Tempelwächter zur Verfügung zu stellen, damit wir sie festnehmen können.“

Der alte Mann sah Owithir prüfend an. Er hatte selten mit ihm gesprochen, und wenn es tatsächlich dazu gekommen war, war ihm der jüngere Mann immer schüchtern und gequält vorgekommen. Der Owithir vor ihm schien eine neue Selbstsicherheit gefunden zu haben und der Abt musste lächeln, denn anders als so viele andere Priester, schien ihn diese Selbstsicherheit nicht abweisender, sondern nur bestimmter, vielleicht sogar ein wenig glücklich gemacht zu haben. Er machte einen Schritt auf den Berittenen zu und legte ihm seine alte Hand auf den Unterarm, ohne zu wissen, was er ihm damit möglicherweise antat. Er sah, wie sich Owithirs Augen verengten, wurde jedoch von dem Novizen abgelenkt, der aus dem Tempel herauslief. Der Junge hielt ein kleines Kästchen in der Hand und reichte es ehrerbietig dem Abt.

„Eigentlich solltest du dies nach einem Gottesdienst erhalten. Aber wie du sicher weißt, schreiben unsere Regeln vor, dass ein Subdiakon nur unter der Führung eines Diakons Wächtern vorstehen darf. Ich denke, über deinen Regelverstoß während deiner Mission können wir hinwegsehen. Aber bevor ich dir noch mehr Männer anvertraue, sollten wir Ordnung schaffen.“ Er lächelte erneut. „Dies hat nur auf deine Rückkehr gewartet.“ Damit klappte er das Kästchen auf. Es enthielt einen Amtsstab, wie Owithir ihn unter seinem Hemd trug, vielleicht eine Spanne lang und Daumendick. Nur war dieser Stab mit Eisen beschlagen, nicht mit Kupfer, wie Owithirs. Ein Diakonsstab.

Jetzt stieg Owithir doch vom Bataga und versuchte die Schmerzen in seinen Beinen nicht zu zeigen, als er sich auf die Knie fallen ließ. „Euer Gnaden, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin nicht würdig, diesen Rang zu bekleiden.“

„Du bist es. Wenn nicht du, wer sollte es sonst sein. Du bist von den Göttern gesegnet. Und du hast ihre Gabe immer nur in Ehrfurcht und in ihrem Dienst verwendet.“ Er wandte sich an den Meister der Pforte. „Geh zum Meister der Wachen und richte ihm aus, dass bis zum nächsten Gongschlag zwanzig Wachen an der Pforte zu stehen haben, ausgerüstet für die Jagd auf Hexer und Dämonenbeschwörer.“ Der Wächter verbeugte sich tief und rannte fort, als wäre ein brennendes Bataga hinter ihm her. Anschließend wies der Abt den Novizen an, ein wenig Brot und Wasser vor die Pforte zu bringen, während Owithir immer noch auf dem harten Pflasterstein saß und sich zu seinen Männern umsah, die ihn seltsam zufrieden anlächelten. Dann winkte er Reigerin vom Bataga herunter und sie blieb zwei Schritte hinter ihm stehen. Sie sah recht verloren aus, zwischen dem großen Tier und dem Abt.

Der alte Mann sah sie kurz an, flüsterte dann aber einen Segen über dem neuen Diakon, den Reig nicht verstehen konnte. Dabei schien er das Mädchen vollständig zu vergessen. Erst dann reichte er Owithir die Hand und half ihm, aufzustehen.

Inzwischen waren auch die Wächter seines Gefolges abgestiegen. Noch bevor Owithir sich umdrehen konnte, waren sie bereits jeder auf ein Knie gefallen und hatten den Kopf gesenkt. Es war eine ungewöhnliche Ehrerbietung, dem Hüter des Leuchtens vorbehalten. Dementsprechend ernteten sie den missbilligenden Blick des Abtes und auch Owithir runzelte die Stirn. Er hatte auf der Reise gespürt, dass mehr zwischen ihm und seinem Gefolge entstanden war, als es zwischen Priester und Wächtern üblich war. Er war nicht sicher, was seine Männer tatsächlich in ihm sahen, denn er hatte vermieden, ihre Gedanken zu lesen, aber ihre Gefühle waren oft genug zu ihm gelangt. Trotzdem konnte eine solche Ehrbezeugung Unruhe stiften, wenn sie von den falschen Leuten gesehen wurde.

„Steht auf, Marinam, Laftin, Kalig. Der Kniefall steht mir nicht zu. Ihr beschämt mich und wenn jemand eine solche Ehre verdient hat, dann gewiss ihre Gnaden und nicht ich. Steht bitte auf.“

Und zum Erstaunen des Abtes erhoben sich die Männer und wirkten sogar ein wenig beschämt, obwohl Owithirs Worte freundlich, wenn auch mit Nachdruck, vorgetragen worden waren. Der junge Diakon wandte sich erneut an den Abt.

„Verzeiht ihnen diese Ungehörigkeit. Sie haben auf der Reise untadelige Arbeit geleistet und jede Erwartung, die man hätte haben können, weit übertroffen.“

„Ist schon gut, mein Sohn, ich werde es aus meinen Gedanken verbannen.“

In diesem Augenblick trafen die zwanzig Wächter ein. Sie sahen adrett aus und standen augenblicklich in Reih und Glied, eine Übung, die Owithirs Gefolgsleute seit Monaten nicht mehr ausgeführt hatten und fast belustigt zur Kenntnis nahmen. Der Abt wandte sich an die Männer:

„Ich unterstelle euch Diakon Owithir, der auf der Suche nach zwei Dämonenbeschwörern ist.“ Owithir trat vor. „Wer ist euer Gruppenführer?“ fragte er auf seine stille, fast vorsichtige Art hinzu. Seine eigenen Gefolgsleute wussten inzwischen, dass ihn seine Sanftheit nicht schwach machte. Ein Mann meldete sich. „Wie ist dein Name?“

„Veinem, Hochehrwürden.“

„Veinem, ich erwarte von euch, dass ihr erst zu euren Waffen greift, wenn ich es euch befehle, dass ihr eure Angriffe abbrecht, wenn ich euch es befehle und dass ihr vorsichtig mit den Gläubigen und euch selber seid.“ Er nickte dem Mann zu und bemerkte, dass er anscheinend zu einem seiner eigenen Wächter um Bestätigung blickte. Er blickte sich kurz um, und konnte gerade noch sehen, wie Tafgen zurücknickte. Er wandte sich wieder dem Abt zu. „Euer Gnaden, ich fürchte, ich bin noch nicht erfahren genug, um so viele Männer gleichzeitig zu befehligen. Wäre es möglich, dass ihr mir einen Diakon zur Seite stellt?“

Der alte Mann lächelte ihn freundlich an und ließ sofort noch einmal seinen Novizen loslaufen. „Immer noch so bescheiden, Hochehrwürden?“

 



Was wollen Dämonen eigentlich?

Mittwoch, 17. September 2014, 10:03
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Die Kinder aus der Feldstraße, Teil 95. Wir nähern uns der 100 und dass ist eigentlich ziemlich beachtlich.